Geburt eines Kindes

Ein Kind wird geboren

Die Geburt eines Kindes ist ein Wunder – überall auf der Welt, in jeder Kultur und jeder Religion. Ganz anders verhält es sich mit der jährlich wiederkehrenden Feier des Geburtstags: Einen so großen Stellenwert wie in der westlichen Welt hat er in anderen Ländern nicht. Der weltweit berühmteste Geburtstag ist vielleicht der von Jesus, denn Weihnachten, das Fest anlässlich seiner Geburt, hat längst über den eigentlichen Anlass hinaus ein Eigenleben entwickelt mit vielen Traditionen und Bräuchen – vom geschmückten Tannenbaum übers viele Gaben bringende Christkind bis zum omnipräsenten Weihnachtsmann.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Obwohl Muslimen in der Regel ein Geburtstag weniger wichtig ist, gilt doch der Geburtstag des Propheten Muhammad (a.s.) im Volksglauben als ein ganz besonderer Kandil-Abend, der in festlicher Stimmung begangen wird. Zwei Prophetengeburtstage also sind im Islam von Bedeutung, denn auch Jesus gilt Muslimen als wichtiger Prophet.

Aber welche Bräuche und Traditionen sind mit der Geburt eines Kindes in einer ganz alltäglichen Familie verbunden? Die Zahl der Antworten darauf ist unerschöpflich, gibt es doch sowohl regionale und lokale Gewpflogenheiten als auch Familientraditionen, ganz zu schweigen von städtischen und ländlichen Bräuchen. Sie alle darzustellen, reicht das ganze Internet kaum aus. Hier sind stellvertretend zwei Antworten aus einer deutschen und einer türkischen Familie.

Selma erzählt: In meiner Familie in Istanbul ist es Brauch, dass ein Kind kurz nach der Geburt seinen "göbek adı" erhält. Göbek bedeutet Nabel, Bauch, aber auch Herz, ad ist der Name. Dieser "Nabelname" wird durchs Ohr dem neugeborenen Baby ins rechte Ohr geflüstert, und zwar vom Vater oder Großvater. Zuvor wird der Ezan, der Gebetsruf, ins linke Ohr gesagt. Dabei soll das Gesicht des Babys Richtung Mekka zeigen.
Natürlich wird die frohe Botschaft von der Geburt allen Verwandten, Nachbarn und Freunden mitgeteilt. Viele Besucher kommen und bringen neben guten Wünschen auch Geschenke mit. Ein beliebtes wertvolles Geschenk sind Goldstücke, aber gerne werden auch Strampler oder sonstige Babykleidung geschenkt, vielleicht sogar selbstgestrickte, seltener auch Babyspielsachen. Dem Baby wird oft mit einer kleinen Sicherheitsnadel ein Boncuk angeheftet, ein blauer Glücksbringer, der dem Aberglauben nach das Baby vor dem bösen Blick schützen soll.
Früher war es üblich, dass eine Frau nach einer Geburt 40 Tage lang das Haus nicht verließ. Das ist heute in einer Großstadt, in der nicht mehr die ganze Großfamilie unter einem Dach wohnt, kaum noch möglich und längst nicht mehr üblich. Aber nach 40 Tagen nimmt die Frau die große rituelle Waschung vor und dann gibt es eine Veranstaltung, die Dua genannt wird. Dafür versammeln sich verwandte und befreundete Frauen in der Wohnung der Eltern des Babys, lesen Suren aus dem Koran und sprechen Bittgebete für das Baby. Als Getränk wird den Gästen "lohusa şerbeti" serviert, ein süßes Getränk, dessen Zubereitung im Video erklärt wird. Die für Jungen übliche Beschneidung erfolgt nicht gleich nach der Geburt, sondern erst nach einigen Lebensjahren.

Sabine erzählt: Glückwünsche, Geschenke und Besuche für Mutter und Kind sind nach einer Geburt selbstverständlich. Die Geburt eines Kindes ist nun einmal ein Ereignis, über das sich alle freuen. In meiner Familie in Berlin gibt es keinen besonderen Brauch zur Namensgebung. Natürlich überlegen sich die künftigen Eltern schon während der Schwangerschaft, welchen Namen das Kind tragen könnte. Aber nach der Geburt geht es in dieser Hinsicht eher sachlich zu: Der Name wird offiziell in der Geburtsurkunde festgehalten. In dem kleinen Ort, in dem ich bald wohnen werde, wird eine Wäscheleine mit Babysachen vor dem Haus der frischgebackenen Eltern aufgehängt. So weiß jeder gleich, dass das Baby auf der Welt ist. Ich finde diesen Brauch sehr nett, kenne ihn aber aus meiner in der Stadt lebenden Familie nicht.
Wenn das Kind einige Monate alt ist, wird es getauft. Das ist ein festliches Ereignis, bei dem das Kind in der Kirche offiziell in die christliche Gemeinschaft aufgenommen wird. Die Taufe eines Kindes ist in unserer evangelischen Familie ganz selbstverständlich, obwohl ich uns nicht als besonders religiös bezeichnen würde. Aber ein Kind zu taufen, das hat eine lange Familientradition. Selbst das Taufkleid für dieses Fest wird in unserer Familie von Baby zu Baby weitergegeben. An den Gottesdienst in der Kirche schließt sich ein gemeinsames Festmahl an, für das man ein schönes Restaurant ausgesucht hat.
Früher nannte man Frauen, die gerade ein Kind geboren hatten, Wöchnerinnen. Als Wochenbett galt die Zeit, in der sich Frauen nach einer Geburt noch schonen sollten, weil der Körper sich nach den Umstellungen und Anstrengungen während Schwangerschaft und Geburt wieder rückbilden muss. Die ungefähr sechs Wochen der Wochenbettzeit entsprechen ungefähr den 40 Tagen, von denen meine Freundin Selma erzählt. 




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