Geschichte einer Sufiprinzessin

Eine Muslimin, die im Zweiten Weltkrieg zur britischen Kriegsheldin wurde und von den Nationalsozialisten in Deutschland ermordet: ein wirklich ungewöhnliches Schicksal für eine Frau, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte.

Noor Inayat Khan kam 1914 in Moskau als älteste Tochter der Amerikanerin Ora Ray Baker und des indischen Sufis und Musikers Hazrat Inayat Khan zur Welt. Nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs zog die Familie zunächst nach London, dann nach Paris um. Noor Inayat Khan wuchs in einer kosmopolitischen und spirituellen Umgebung auf, in der ihre Haltung reifte, konsequent für die friedliche Einheit aller Wesen einzustehen. Sie studierte Kinderpsychologie an der Sorbonne, wurde musikalisch an Klavier und Harfe ausgebildet und schrieb Kolumnen für „Le Figaro“. 

1940 floh die Familie vor den Nazis nach London, Noor Inayat Khan wurde Funkerin einer britischen Spezialeinheit im Nachrichtendienst, während sie weiterhin Geschichten und Erzählungen verfasste. Sie leistete gewaltfreien Widerstand gegen ein unmenschliches Regime, das Juden und viele andere erbarmungslos verfolgte und vernichtete.

Am 13. September 1944 wurde sie im Konzentrationslager Dachau erschossen, nachdem sie verraten und gefoltert wurde.

Noor Inayat Khan

Im Jahr 2012 wurde Noor Inayat Khan, der „Sufiprinzessin“, wie sie von vielen ehrfürchtig genannt wird, ein Denkmal am Gordon Square in London gesetzt. Postum wurde sie mit dem Corix de Guerre in Frankreich und mit dem Georges Cross in England geehrt.

Das Buch König Akbar und seine Tochter: Geschichten aus einer Welt*, herausgegeben vom Inayati-Orden Deutschland e. V., enthält Geschichten, Erzählungen, Parabeln und Anekdoten, die Noor Inayat Khan verfasste.

Verfilmt wurde ihre ungewöhnliche Lebensgeschichte bisher nicht, aber zahlreiche Bücher zeichnen ihr mutiges Leben nach. Lesenswert ist beispielsweise die bisher nur auf Englisch und erstmals 2006 erschienene Biografie  Spy Princess. The Life of Noor Inayat Khan* von Shrabani Basu.

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Mittelalterliche Schelmengedichte

„Erstaunlich modern“ findet Rezensent Gerrit Wustmann* die Schelmengedichte von Ibn Naqiya, die Stefan Wild 2019 in einer deutschen Ausgabe herausgegeben hat: Moscheen, Wein und böse Geister. Die zehn Verwandlungen des Bettlers al-Yaschkuri.**

Bagdad im 11. Jahrhundert, das erinnert manche möglicherweise an die Märchenwelt des deutschen Dichters Wilhelm Hauff. Muslime verbinden mit dieser Periode die Herrschaft der abbasidischen Kalifen und eine Blüte von Wissenschaft und Kultur, die von dort in die gesamte muslimische Welt ausstrahlte.

Bemerkenswert ist ferner, dass Ibn Naqiya, der Verfasser der Schelmengedichte, Kaufmann war, sehr viel mehr ist über sein eigenes Leben nicht bekannt. Umso lebendiger wirkt dagegen der gewitzte Schelm al-Yaschkuri in einem Werk, das in einer beliebten Versform der arabischen Sprache verfasst wurde: Die Makame ist eine Art Reimprosa. Darin wird keinem Herrscher gehuldigt, vielmehr werden alltägliche Konfliktsituationen aufgegriffen, die listenreich gemeistert werden. Die ersten ins Deutsche übersetzten Makamen waren Nachdichtungen von Friedrich Rückert, dem Pionier von Literaturübersetzungen aus der arabischen in die deutsche Sprache.

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Gesichtsmasken

Noch Anfang des Jahres wäre undenkbar gewesen, was COVID-19 bzw. die Furcht vor der ungebremsten Ausbreitung des Coronavirus bewirkt hat: Menschen in Europa und anderswo auf der Welt bedecken Mund und Nase und damit den unteren Teil des Gesichts, nur die Augen in der oberen Gesichtshälfte bleiben sichtbar.

Vor wenigen Monaten galt eine solche Art der Gesichtsbedeckung noch als typisch für muslimische Frauen, als überholte Vermummumg, die es zu verdammen und zu verhindern galt. Wenn das alles, also sowohl die Bedrohung durch eine Pandemie als auch die Pauschalverurteilung von Frauen mit einer bestimmten Form bedeckender Kleidung, nicht so traurig und tragisch zugleich wäre, könnte man von Ironie der Geschichte sprechen.

Die Ironie der Geschichte zeigt sich in einem weiteren Detail: der Herkunft des Wortes Maske. Dass der Wortursprung in französisch masque und italienisch maschera liegt, dürfte wenig überraschen. Aber kennen Sie die eigentliche Herkunft der Maske? Das Wort entstand höchstwahrscheinlich in Anlehnung an arabisch مسخرة "masẖara", was Verspottung oder auch Possenreißer bedeutet.

Eine Gesichtsmaske kann aus vielen Gründen getragen werden: aus kulturellen oder religiösen Gründen, aus künstlerischen Gründen oder zum Schutz. Über Gesichtsmasken der Frauen auf der Arabischen Halbinsel schreibt Kandil-Maskottchen Lela: Eine Maske tragen.

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West-östlicher Diwan 2.0

Die Neubelebung von Traditionen ist gewissermaßen schon selbst zur Tradition geworden. Dies gilt im Bereich der Wirtschaft und der Handelsbeziehungen, wie am Beispiel der Seidenstraßen-Projekte gut zu sehen ist, ebenso wie im kulturellen Bereich. Ein Beispiel wir https://de.qantara.de/inhalt/ein-neuer-divan-ein-l...

Im Vorjahr gab es viele Würdigungen anlässlich des Jubiläums eines noch heute einflussreichen literarischen Meisterwerks: Johann Wolfgang von Goethes West-östlicher Diwan feierte im Jahr 2019 sein 200-jähriges Bestehen. Der Gedanke und das Bestreben, in diesem Sinne ostwestliche, west-östliche Kulturbrücken zu bauen, ist im 21. Jahrhundert lebendiger und bedeutsamer denn je. 

In diesem Jahr erschien ein neuer Beitrag zur west-östlichen Diwan-Geschichte, ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West, der explizit auf Goethes Diwan-Tradition aufbaut und unter dem Titel Ein neuer Divan.Ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West* als Buch erhältlich ist. 24 Lyriker*innen aus „Orient“und „Okzident“ schrieben Gedichte zu den Themen der zwölf Bücher des Diwans von Goethe. 

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Eine Rezension des neuen Divan veröffentlichte Noha Abdelrassoul auf qantara.de: Ein neuer Divan. Ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West

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Die Seidenstraße

Die Seidenstraße steht für eine sehr alte Handelsroute mit magischem Klang. Orte wie Samarkand, Buchara und Taschkent fallen einem vielleicht dazu ein oder unvergessene Reisende wie Marco Polo, der Ende des 13. Jahrhunderts entlang der Seidenstraße bis China reiste und für europäische Ohren damals Unglaubliches zu berichten wusste von den Wundern einer fernen Welt.

Die Seidenstraße war naturgemäß kein einzelner Weg, der schnurstracks von Asien nach Europa führte und in seiner ganzen Länge bereist wurde. Vielmehr umfasst der Begriff ein ganzes Netz an zahlreichen Wegen, die alle vor allem einem Zweck dienten: dem Handel zwischen Osten und Westen. Schon in der Antike und damit lange vor Marco Polos Zeit wurde so im Westen mit Seide aus China gehandelt, während etwa in Indien u. a. Wolle, Gold und Silber aus dem Westen begehrte Handelsobjekte waren. 

Neben dem Austausch von Waren und Nahrungsmitteln war eine andere Begleitwirkung der legendären Seidenstraße mit ihren zahlreichen Kamelkarawanen, dass natürlich auch Gedanken und kulturelle Errungenschaften quasi im Vorübergehen ausgetauscht wurden. Ein solcher Austausch findet oft im Alltäglichen stand und lässt sich dann nicht genau bemessen. An besonderen Errungenschaften aber wird klar, wie wichtig die Seidenstraße für die Verbreitung war: Die Herstellung von Papier und der Buchdruck zum Beispiel gelangten mithilfe der wichtigen Handelsstraße vom Fernen Osten bis nach Europa.

Erst mit der zunehmenden Bedeutung von Schiffen und damit dem Seehandel verlor der Landweg zwischen Westen und Osten an Bedeutung. In den letzten Jahrzehnten hat man sich an die Bedeutung der Landwege erinnert, verschiedene Initiativen haben die Verbesserung der Infrastruktur entlang der alten Hauptrouten zum Ziel. Zu diesen Projekten zur Etablierung einer „neuen Seidenstraße“ gehört die von China im Jahr 2013 initiierte „Belt and Road Initiative“(BRI), mit der chinesische Wirtschaftsbeziehungen in Asien, Europa und Afrika vorangetrieben werden sollen.

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