Unterhaltsame Multikulti-Reli-Rallye
Deutschland, deine Götter. Eine Reise zu Kirchen, Tempeln, Hexenhäusern
von Gideon Böss
Tropen/Klett-Cotta, 398S., Paperback/Gebunden Euro 19,95, E-Book Euro 15,99
ISBN 3608502300
Religion ist eine todernste Angelegenheit, glaubt man den Schlagzeilen der letzten Jahre. Umso erfreulicher ist die Reise, die Gideon Böss zu Deutschlandas Göttern führte. Unverkrampft und mit einer gehörigen Protion Humor berichtet er über seine Besuche bei Vertretern großer und kleiner, verbreiteter und exotischer Glaubensrichtungen und Kulte. Er selbst sieht sich als Agnostiker und kann damit erfreulich gelassen allen Strömungen gegenübertreten.
Der Titel des Buchs sprach mich sofort an. Er erinnerte mich zum einen an Götter, Gräber und Gelehrte, ein Buch, das ich als junger Mensch gerne gelesen habe, zum anderen an das Brettspiel Deutschlandreise, das ich als Kind ebenso gerne gespielt habe. Was vielleicht manch einem sauer aufstoßen mag, dass nämlich Böss sich nicht auf die großen Weltreligionen beschränkt, macht gerade den Charme seiner Reiseschilderung aus. Die 26 Stationen der Reise beginnen mit den Wicca, die mir vorher völlig unbekannt waren. Nebenbei erfährt man beim Lesen viele Hintergrundinformationen, über die Quäker zum Beispiel wusste ich herzlich wenig. Böss fragt durchaus kritisch, unter anderem immer wieder nach der Haltung zur Homosexualität. Mit den sunnitischen Muslimen geht er übrigens nachsichtig um, eine beredte junge muslimische Frau und die Frage nach dem Intelligenzgrad von Tauben spielen eine zentrale Rolle beim Besuch in der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld.
Bei den vielen unterschiedlichen Glaubensstationen und theologischen Ausrichtungen kann einem durchaus schwindlig werden. So fügen sich selbst einige übersehene Sprachschnitzer ins bunte Bild: Von „seelischen Gesichtern“ ist im Zusammenhang mit den charismatischen Christen die Rede, von zwei Farbaufnahmen, die „die Kabbala“ zeigen, bei den Lahore-Ahmadiyya – kein großes Problem in einem Buch, das nicht auf theologischen Details herumreitet.
Das Wichtigste ist, dass Böss überall auf Menschen gestoßen ist, die sich in vielen Punkten erstaunlich stark ähneln, wie er im Nachwort schreibt. Was sie eine, sei unter anderem die „Fairness im Umgang mit der religiösen Konkurrenz“ und der Einsatz für die deutsche Zivilgesellschaft. Auffällig sei auch die Funktion von Religion als einem sozialen Zentrum, was wichtiger sei als theologische Fragen.
Der Charakter einer Religion zeige sich im Umgang mit dem Zweifel, meint Böss. Ich möchte ergänzen: Eine gehörige Portion Humor und Selbstironie können auch nicht schaden.
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