Reisetagebuch Iran. Teil 2, vom Kaspischen Meer bis Teheran
von Yunus Balcik
Von Rasht nach Masuleh
Wir saßen bis in die frühen Morgenstunden zusammen. An der Wand hingen Poster von Quentin-Tarantino-Filmen sowie einiger amerikanischer Rockbands. Die Musik, die wir hörten, sowie die Filme und Bücher, über die wir uns unterhielten, waren mir alle geläufig und generell war das einzige, was mich daran erinnerte, dass ich nicht in einem westlichen Land war, die Tatsache, dass die meisten meiner neuen Bekannten eher gebrochenes Englisch sprachen. Ich fühlte mich sehr zu Hause, der Gastgeber Sina kochte mitten in der Nacht für uns und ich zeigte mehrmals meine beiden Pässe und keiner der Anwesenden definierte sich über die Religion. Meine insgesamt zweite Nacht im Iran und die erste in einem iranischen Haushalt verlief also ganz anders als erwartet, ich hatte mir nicht vorgestellt, dass junge Leute in diesem Land uns so ähnlich sind. Sie klagten viel über die Regierung und dass sie lieber in Westeuropa oder Kanada leben würden (wohlgemerkt nicht unbedingt in Amerika).
Nach sehr wenigen Stunden Schlaf verließen Ohveiz und ich Sinas Haus. Für den Tag war etwas ganz Besonderes geplant. Ich hatte Ohveiz bereits am Vortag gefragt, wie man von Rasht aus nach Masuleh reisen könne, ein kleines Dorf, das in Terrassen einen steilen Berg in der Ghilan-Provinz hochklettert, laut Reiseführer ein Muss für jeden Touristen. Er teilte mir erfreut mit, dass er bereits seit Wochen mit seinen Freunden hinzufahren plante. Wir mussten nur einige Sachen erledigen, unter anderem eine Sim-Karte für mich kaufen (was ich alleine, iranischer Bürokratie sei Dank, wirklich niemals hinbekommen hätte) und benutzten in diesem Zusammenhang auch erstmals einen öffentlichen Bus. Wir mussten rennen, da der Bus schon fast losfuhr (mit offenen Türen) und ohne darüber nachzudenken, sprang ich durch die hintere Tür, die mir am nächsten war. Ich hörte Ohveiz hinter mir schreien, als ich verstand, dass ich versehentlich ins Frauenabteil des Busses gestiegen war. Er zerrte mich wütend aus dem Bus, die Frauen starrten teils amüsiert, teils verschämt auf den Boden, und ich fand mich kurz darauf mit hochrotem Kopf eine Tür weiter wieder, im Männerabteil, aber genau neben der Metallstange, die die beiden Abteile voneinander trennte.
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