Verwurzelt

Wahrscheinlich haben Sie es mitbekommen: In Hannover wurde am Wochenende ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Die Schlagzeilen heute lesen sich wie aus einem Biologiebuch: Erstmals Grüner mit türkischen Wurzeln in das Amt gewählt. Wurde ja auch Zeit, also beides: dass ein Nachfahr türkischer Migranten in höchstes Amt und Würden einer Stadt gewählt wird und dass ihm dies als Vertreter der Grünen gelingt. 

Die feine Ironie der grünen Wurzeln hat es mir angetan. Wurzeldeutsch oder wurzeltürkisch werden Menschen manchmal genannt, die deutscher oder türkischer Herkunft sind. Diese Wörter klingen zwar merkwürdig, aber nett merkwürdig. Nicht glatt und angepasst, sondern knorrig und ein bisschen sperrig. Das passt gut zu uns Menschen, die wir alle unsere symbolischen Ecken und Kanten haben. Und Wurzeln. Immer wieder Wurzeln. Sie sind so wichtig und gerade im Herbst kommen sie gut zum Vorschein, wie oben im Bild zu sehen. Ohne Wurzeln keine Flügel, oder wie schon Goethe sagte: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“

Wo diese Wurzeln liegen, in welchem Land, in welcher Kultur, das spielt keine Rolle, solange man gut uns sicher verwurzelt ist. Wenn ich es allerdings recht bedenke, dann brauchen auch Menschen ein geeignetes Klima, um in Ruhe weiterwachsen und schließlich Flügel entwickeln zu können. An uns liegt es, zu einem guten Klima beizutragen – in jeder Hinsicht, wörtlich und im übertragenen Sinn. Denn „die Hoffnung hilft uns leben“, auch das ist ein Goethe-Zitat, er schrieb diesen Satz 1782 an Charlotte von Stein. Welcher Art auch immer seine Beziehung zu ihr war und der Kontext, in dem der Brief entstand, die Hoffnung zu leben brauchen wir heute wie damals. Und die Wurzeln sind, wie ich finde, ein schönes Beispiel dafür, dass Standfestigkeit so nötig wie vielfältig ist. Nichts im Leben ist eindimensional.

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